Versuche in der Kunst, zu fliegen

Der Vogelmensch Francesco Guzman.

Vor Kurzem haben mehrere junge Männer in der Nähe von Wien ein eigenartiges Flugexperiment veranstaltet, über das wir ausführlich berichteten. Derartige Versuche sind keineswegs erst in unserem Jahrhundert ausgekommen. Schon im Mittelalter waren zahlreiche Flugexperimente unternommen worden. Im XIII. Jahrhundert verfertigte der englische Mönch Roger Bacon eine Flugmaschine aus Federn, die an einem leichten, schwingenartigen Gestell aus Rohr befestigt waren. Der Italiener I. B. Dante machte im Jahre 1460 durch seine glücklichen Flugversuche großes Aufsehen. Eines Tages flog er von dem 300 Fuß hohen Stadtthurm zu Perugia in Toscana herab und hielt sich durch mehrere Stunden lang schwebend in der Luft. Die Flugmaschine hielt jedoch die fortdauernde Benützung nicht aus, und als eine Feder derselben unbrauchbar wurde, stürzte der kühne Flieger auf das Dach einer Kirche und brach sich den Fuß.
Gegen das Ende des XV. Jahrhunderts lebte in Nürnberg ein Musiker, der im Greisenalter noch zwei große Flügel aus Gänsefedern zusammensetzte und mit denselben eine Luftfahrt machte. Der Uhr macher Bo Ivri, ein Italiener, formte im XVI. Jahrhundert ein künstliches Flügelpaar, mit dem er vom Thurm der gothischen Kirche von Trohes einen Flugversuch unternahm. Seine Bewegungen wurden durch einen, heftigen Ostwind gehemmt, er stürzte aus der Hohe nieder und fand ein schreckliches Ende.

Die vielen Nachahmer seiner Flugversuche ließen sich jedoch durch den unglücklichen Ausgang derselben nicht abschrecken, aber ihre Experimente führten nie zu einem günstigen Erfolge. Erst gegen die Mitte des XVII. Jahrhunderts gelang es dem Schlosser Beinier zu Sablé in Frankreich, Flügel zu construiren, mit denen einige günstige Versuche ausgeführt wurden. Die Engländer Cook und Olivier zeigten im Jahre 1600 zu Malmesbury ihre Geschicklichkeit im Fliegen. Der spanische Mönch Elmero de Malameria dagegen bezahlte einen solchen Versuch mit dem Leben. Glücklicher war Francesco Guzman in Lissabon mit seinen Flugversuchen. Im Jahre 1745 flog er mit seinem Apparat, einem riesigen Vogel gleich, über die Häuser der Stadt und über den Spiegel des Tajo. Unser Bild, nach einer alten Zeichnung des Malers Burckart, zeigt diesen Vogelmenschen, wie er eben über die Dächer der Stadt hinfliegt. Die Flugmaschme brachte Guzman jedoch nur Unheil, er wurde beschuldigt, mit höllischen Geistern im Bunde zu flehen und konnte nur durch rasche Flucht sein Leben retten.

Geringen Erfolg hatten die Flugversuche des Herrn von Bacqueville, welcher in Paris vom Dache seines Hauses emporfliegen wollte. Als er über der Seine schwebte, stürzte er jedoch herab, fiel auf einen Kahn und zog sich gefährliche Verletzungen zu. Nicht besser erging es im Jahrb 1797 einem Herrn Calais in Paris. Derselbe schwang sich, mit zwei großen, an den Schultern befestigten Flügeln und einem fächerähnlichen Schweife ausgerüstet, in Gegenwart zahlreicher Zuschauer, die hohe Preise bezahlt hatten, über die Dächer der Stadt empor. Seine Kraft erlahmte jedoch bald, er bekam in dem linken Arm einen Krampf und konnte denselben nicht mehr bewegen. Unser zweites Bild zeigt den gräßlichen Niedersturz des Calais, der jedoch bei diesem Falle durch einen glücklichen Zufall das Leben nicht verlor. Auf seinen Auftrag erhielten die Zuschauer das gezahlte Geld zurück, und als er gänzlich hergestellt war, wanderte er nach Amerika aus. In Wien hat der Uhrmacher Degen eine Flugmaschine verfertigt, die den Flügeln der Insecten nachgebildet war und mit der sich der Erfinder im Jahre 1803 öffentlich producirte. Das Flugwerk wurde jedoch bei Degen von einem Ballon gehoben, die aus Rohrstäben und Seidenstoff gefertigten Flügel wurden durch ein einfaches Druckwerk in Bewegung gesetzt. In Wien producirte sich Degen auch mit viel Glück, als er jedoch nach Paris ging, um auch dort seine Flugmaschine öffentlich zu zeigen, verfolgte ihn das Mißgeschick und der erwartete Erfolg blieb gänzlich aus.

Illustrirtes Wiener Extrablatt | 2. September 1900

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